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"Lächel doch mal" Hell, no! Warum man Frauen nicht zum Lächeln auffordern sollte

DR SMILE | 03 Mai 2022
"Lächel doch mal" Hell, no! Warum man Frauen nicht zum Lächeln auffordern sollte

Es gibt wohl keine Frau, der nicht im Laufe ihres Lebens mindestens 135 Mal gesagt wird, dass sie “doch mal lächeln soll”. Und das völlig ernsthaft, gar aufmunternder und gut gemeint – und meistens von einem Mann. Das kann auf der Straße, bei der Arbeit, in einer Bar oder auch im Freundeskreis passieren. Oft sind es völlig fremde Personen, die einen da zum anpassen der eigenen Miene auffordern. Was daran falsch ist? Alles! Während gegen ein echtes Lächeln nichts spricht, spricht einiges dagegen, Frauen ungefragt zum Lächeln aufzufordern. Warum?

1. Würdest Du jemals zu einem Mann sagen “lächel doch mal”?

Wohl kaum. Man kann das ganz gut mit dem Begriff “Girl Boss” vergleichen. Gibt es auch einen Boy Boss? Klingt einfach nur lächerlich. Genauso würde kein Mann jemals auf die Idee kommen, einen anderen Herren zum Lächeln aufzufordern. Alleine die Idee kommt uns völlig absurd vor. Im Grunde ist es aber beim weiblichen Geschlecht nicht anders, es ist genauso absurd, unnötig und übergriffig. Nur herrscht zumindest unterbewusst auch heutzutage noch ein Gefälle zwischen Mann und Frau – in Sachen Macht, Kontrolle, wahrgenommener und tatsächlicher Hierarchie. Dass es normal ist, eine Frau zum Lächeln aufzufordern, mag nur eine Kleinigkeit sein und von den Betroffenen zum Teil vielleicht nur unterbewusst als störend empfunden werden, sie spiegelt dennoch das Verhältnis zwischen den Geschlechtern auf profane Art und Weise wider. Zeit, damit aufzuhören.

2. Ungefragte Aufforderungen – generell nein

Was genau steckt überhaupt dahinter, jemanden zu bitten, seinen Gesichtsausdruck zu verändern? Man stelle sich jedoch vor, eine andere Person würde einen auffordern, mal bitte den Bauch einzuziehen. Sich einen Pferdeschwanz zu machen, sieht doch viel besser aus. Den Rücken durchzustrecken und gerader zu stehen. Es geht generell zu weit, jemandem zu sagen, wie er sein Erscheinungsbild für einen selbst angemessener anpassen soll. Ob es da um ein Lächeln, die Haltung oder die Kleidung geht. Wenn eine Frau es wagt, nicht devot und lieblich genug auf ihr Umfeld zu wirken, wird ihr schnell ein “Resting Bitch Face” attestiert, was im Prinzip einfach nur ein neutraler Gesichtsausdruck ist. Ernsthaftigkeit bei einer Frau wird als negativ und unfreundlich wahrgenommen. Bei einem Mann dagegen seriös. WTF? 

3. Frauen müssen überhaupt nichts – vor allem nicht für Dich lächeln

Es steckt ein gewisses Bild von Weiblichkeit hinter einer solchen Aufforderung – auch wenn es nur ganz unbewusst sein mag. Frauen sollen hübsch sein, hübsch anzusehen. Süß, nett, zuvorkommend, Service-orientiert. Ein klassisches Frauenbild, wie es seit Jahrtausenden existiert. Die Frau soll gefallen und für Harmonie sorgen. Es wird für uns alle dringend Zeit, aktiv an diesem Bild zu arbeiten und zu verinnerlichen, dass Frauen genauso komplex und vollwertig sind wie Männer. Dazu gehört eben auch, dass Frauen schlecht gelaunt, monoton dreinblickend und schlichtweg nicht zu unserer Freude existieren. Und dass wir nicht das Recht haben, dies mit übergriffigen Aussagen zu ändern. Selbst wenn es nett gemeint ist oder nur als Ice Breaker dienen soll – überlegt euch einfach etwas Anderes. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Frauen generell öfter lächeln als Männer und das nicht, weil sie glücklicher sind, sondern vor allem auch, um in sozialen Situationen zu entspannen, um freundlich und zuvorkommend zu wirken. Von Männern wird dies weniger erwartet, ein dominantes, kühles Auftreten wird eher geduldet und ist sogar gefragt. Die Frau hingegen soll bitte immer nett wirken. Die Wissenschaftlerin Marianne La France nennt die Aufforderung zum Lächeln “eine milde Form von Belästigung". Word!   

4. Du weißt nie, was diese Person gerade fühlt

Jemandem zu sagen, dass er oder sie bitte fröhlich aussehen soll, bedeutet auch, die aktuelle Gefühls-Realität der Person komplett zu ignorieren. Wer weiß, was hinter der Miene einer Frau steckt, die für Dich persönlich gerade einfach nur lustlos herumschaut. Nicht, dass es uns etwas anginge oder die Person in irgendeiner Form Rechenschaft schuldig wäre – weshalb man eben erst recht sensibel reagieren. Stehen wir der Person nahe, können wir uns natürlich nach deren Befinden erkundigen. Man könnte das mit folgender Situation vergleichen: Eine frisch oder auch schon länger verheiratete Frau wird gefragt, wann es denn dann jetzt soweit ist und ob nun Nachwuchs geplant ist. Diese Frage kann wahnsinnig verletztend für Frauen sein, deren Kinderwunsch – aus welchen Gründen auch immer – nicht erfüllbar ist. Neugierige Fragen reißen hier unnötigerweise eine Wunde auf, es entsteht ein Zwang zur Rechtfertigung. Mit dem Lächeln kann es ähnlich sein: Wir wissen nicht, was eine andere Person gerade durchmacht und zu sagen “Hey, jetzt lächel doch mal” kann im schlimmsten Fall in bestimmten Situationen einfach ein weiterer Schlag ins Gesicht sein. 

Wenn wir uns alle darauf einigen können, Frauen nicht vorzuschreiben, wie sie sich zu geben haben, sind wir definitiv einen Schritt weiter. Es mag sich nach einer kleinen Sache anhören, ist es aber letztlich nicht. Es geht um Respekt und um einen reflektierten Umgang miteinander. Also bitte mehr ernst gemeintes Lächeln und no more “lächel doch mal!”